Dienstag, 9. Juli 2013

Workcamp


Im Moment verbringe ich ein „Workcamp“ in Agou-Nyogbo, ein zweitausend Seelendorf in den Bergen um Kpalimé. Wie jede Weltwärts-Generation realisieren wir den letzten Monat unseres Freiwilligendienstes ein selbstentwickeltes Projekt. Wir haben uns entschieden die Bibliothek, welche auch gleichzeitig die Einsatzstelle eines Freiwilligen ist, zu „renovieren, ausbauen und beleben“. Die letzten beiden Wochen hatten wir eigentlich vor Ferienkurse anzubieten. Geplant waren unter anderem ein Kurs zur Ersten Hilfe, ein Perlen Atelier, ein Chor, eine Theatergruppe, ein Standart Tanzkurs, ein Fußballtunier, ein Volleyballclub und ein Informatikkurs. Leider sind nur die Hälfte der Kurse zusammen gekommen.
Wir haben alles probiert um die Kinder auf unsere Kurse aufmerksam zu machen. Wir sind mit Trommeln, Saxophon, Geige, Plakaten und Gesang durch das Dorf gezogen. Wie beim Rattenfänger von Hammeln sind die Kinder uns in Scharen gefolgt und haben mitgesungen. Wir haben den Dorfchef geben für uns zu „gongolieren“. Eine älterer Mann wird vom Dorfchef beauftragt durch das Dorf zu ziehen und mit Hilfe einer Glocke die neusten Nachrichten zu brüllen, so auch über unsere Ferienkurse.
Trotzdem stellte sich heraus, dass so kurz nach den großen Abschlussarbeiten, es schwierig war die Schüler zu motivieren.
So blieb es bei weniger Kursen als geplant. Der Theaterkurs zum Beispiel findet statt. Nachdem die ersten viel Improvisationstheater gespielt und viel gesungen wurde, haben sich die Kinder jetzt eine Geschichte ausgedacht, die sie vorstellen möchten.

Geschichte von den Kindern des Theaterkurses:
Die Großeltern einer Großfamilie gehen zusammen spazieren und entdecken dabei, dass das Feld der Familie abgebrannt und die ganze Ernte der Familie zerstört ist. Die Kinder freuen sich zuerst, jetzt müssen sie nicht mehr auf dem Felde arbeiten. Doch nach ein paar Wochen wird das Essen zum ersten mal knapp. Der Familienrat wird einberufen und es wird verzweifelt nach einer Lösung gesucht. Die Großeltern beschließen, sich wieder Arbeit zu suchen, aber sie sind alt. Der Vater versucht das Feld neu zu bepflanzen, aber das wird dauern. Es wird überlegt, einige Kinder für ein Jahr aus der Schule zu nehmen, um Schulgeld zu sparen, und damit sie ein wenig Geld für die Familie verdienen können. Doch die Mutter ist dagegen, denn Bildung ist wichtig. Also sucht die Familie Hilfe im Dorf. Der Dorfchef beruft eine Versammlung ein, und jede Familie, die etwas übrig hat, gibt etwas. So bekommt die Familie die finanzielle Unterstützung, sowie ein Stück unzerstörtes Land zur Verfügung gestellt, und irgendwie kommen sie durch. Sie danken Gott.
            Zwei Jahre später: Durch den Brand ist der Boden des Feldes sehr Nährstoffreich geworden und die Ernte ist so reichhaltig wie noch nie. Die finanzielle Situation der Familie hat sich deutlich entspannt. Dann stirbt der Dorfchef und seine Frau, die viele Kinder zu versorgen hat, kommt in finanzielle Schwierigkeiten. Die Familie, welcher der Dorfchef vor zwei Jahren geholfen hat, kann nun seiner Witwe helfen und zum Beispiel für einige Kinder das Schulgeld bezahlen.

Ich fand die Geschichte relativ bezeichnend für einige Aspekte des Dorflebens. Viele Familien auf den Dörfern leben hauptsächlich von den Erträgen ihrer kleinen Felder. Die ganze Familie, auch die ganz kleinen und die ganz alten arbeiten auf dem Feld. Wenn die Ernte dann ausfällt hat die ganze Familie ein Problem. Und das kann schnell passieren. Beginnt die Regenzeit zu früh oder zu spät, ist es zu warm, zu kalt. Oder eben Busch/Waldbrände die auf die Felder überschlagen. Zwar können diese Gefahren das Leben auf dem Land, beziehungsweise im Dorf, sehr erschweren, allerdings herrscht in vielen Dörfer auch eine ausgeprägte Solidarität. Jeder hilft jedem, wenn er kann. Und jeder bekommt geholfen, wenn er es braucht. Natürlich hat diese Solidarität auch ihre Grenzen. Wie dieses Theaterstück verdeutlicht. Auch die Rolle der Kinder wird vorgestellt. Schon für die ganz Kleinen ist es selbstverständlich bei den Arbeiten die Anfallen mitzuhelfen. Wenn der Familie das Geld fehlt helfen sie mit, sie verkaufen Kleinigkeiten oder helfen bei Arbeiten im Dorf. 

Dienstag, 21. Mai 2013

Alltag!


Ich habe mir hier längst einen Alltag geschaffen. Für mich ist das Exotische, Abenteuerliche Normalität geworden. Morgens gehe ich in die Schule. Ich öffne das blaue Tor: „Antoniaaa, Antoniaaaa!“. Nach dem morgendlichen „Begrüßungsritual“, Zähneputzen. Anschließend Unterricht, mal Mathe, mal Französisch, mal Sport. Pause, die Kinder Essen, das Kollegium hält seinen Kaffeeklatsch, leider ohne Kaffee. Danach zwei weitere Stunden, wahrscheinlich Gemeinschaftskunde. Gegen zwölf essen die Kinder und auch ich gehe nach Hause. Zu Mittag Bohnen, Reis oder Ingnam. Wenn die größte Hitze vorbei ist gehe ich los und unterrichte mit einer Freundin einen Englisch-Kurs, eine  integrative Musikgruppe bei ENVOL und erledige andere Ding die anfallen. Wenn noch Zeit ist gehe ich vor dem Abendessen noch eine Cola trinken in einer der zahllosen Bars.
            Erst als meine Freundin Sophia oder meine Familie zu Besuch kamen wurden mir einige Besonderheiten wieder klar. Ich bin mir sicher Sophia hat einen Großteil der Ziegen Lomés, Kpalimés und Umgebung fotografiert. Mein Bruder jeder Art von überfülltem Transportmittel, ob Moto-Moto (darunter versteht sich ein Moto mit einem Moto beladen), ein Fahrrad-Moto (ein Moto mit mindestens zwanzig Fahrrädern), oder der schwankende Lastwagen mit nur drei Reifen. Auch als ich begann für mein Studium eine WG-Zimmer zu suchen, war eine meiner ersten Fragen. „Gibt es den auch einen Kühlschrank?“.



            Keine Frage, das Leben hier ist anders! Anders nicht immer nur im Sinne von lustig und aufregend, auch im Sinne von traurig u

nd deprimierend. Aber ist gibt auch so viele Gemeinsamkeiten. Togo ist keine andere Welt, lediglich ein Land ein bisschen näher am Äquator als Deutschland. Ich habe mich hier eingelebt und kann sagen, Togo ist Alltag geworden.

            Eine „Projekt“ das mir zur Zeit besonders am Herzen liegt ist der Sexualkundeunterricht mit meiner Klasse. Es ist unglaublich lustig, interessant und herausfordernd einem Haufen pubertärer Jugendlicher, fast ohne Sprache, die Sonderheiten der Sexualität näher zu bringen. Ich erinnere mich noch an den ersten Sexualkundeunterricht in der sechsten Klasse und die Jugendlichen hier machen keinen Unterschied. „Kakaii“ „HIHIHIHI“. 

Zu Beginn haben wir den Unterschied zwischen Mann und Frau behandelt, jetzt sind wir schon bei den Intimzonen des menschlichen Körpers. Nicht nur für die Kinder ist das Thema eine Herausforderung. Hier wird das Thema Sexualität teilweise viel offener, teilweise aber auch um einiges verklemmter aufgefasst. Einerseits ist die weibliche Brust keine Intimzone, andererseits erzählen die Eltern teilweise ihren Kindern sie würden sterben bei Geschlechtsverkehr. Gespräche mit einigen Eltern haben außerdem gezeigt, das Kinder mit Behinderung, im dörflichen, sowie im städtischen Umfeld viel eher von sexuellen Belästigungen oder gar Gewalt betroffen sind als Andere. Dieses Thema ist auch schon bei den jüngeren Kindern brisant geworden. Es ist schwierig den Unterschied zwischen frühkindlichen Entdeckungsdrang und Anzeichen für sexuelle Gewalt auszumachen. Ein Problem sind auch die undurchsichtlichen Familienstrukturen. Bei manchen Großfamilien ist es schwer auszumachen welches Familienmitglied gerade anwesend ist und wer für welches Kind verantwortlich ist. Um auch die Eltern mit ins Boot zu ziehen organisieren ich jetzt einen Elternabend zum Thema in Zusammenarbeit mit dem „Familien-Plan-Zentrum“ des Krankenhauses.

Es gibt also immer noch einiges zu tun und nachdem ich mich ausgiebig in einer Klinik in Lomé erholt habe, starte ich motiviert in die letzten Monate.

Sonntag, 20. Januar 2013

Tourist in Ghana


Mit Schrecken habe ich festgestellt, wie lange ich meinen Blog jetzt schon nicht bedient habe! So viel ist passiert über das es sich gelohnt hätte zu berichten. Aber vielleicht liegt es genau daran, es ist wirklich so viel passiert und die Zeit vergeht hier wie im Flug. Außerdem muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich lange und oft krank war. Mittelohrentzündung, eine ominöse „Bauchinfektion“, Parasiten, Malaria, alles war mal dabei. Ein Ende ist dem leider immer noch nicht gesetzt. Aber jetzt zu den schöneren Dingen des Lebens. Über Neujahr war ich zwei Wochen mit drei anderen Weltwärts-Freiwilligen in Ghana. Wir eine abenteuerliche Tour von Nord nach Süd, vom Nationalpark zu den Stränden der goldenen Küste gemacht. Es war eine wunderbare Zeit und wir haben es in vollen Zügen genossen einfach Tourist mit Kamera um den Hals zu sein. Deshalb bekommt ihr hier die clichéehaften und trotzdem wunderschönen Seiten Ghanas zu sehen.

Hier also die versprochenen Fotos:

Los ging die Reise früh morgens in Kpalime mit den Motos durch den Regenwald nach Hoehe in Ghana. Einige Probleme gab es doch mit dem Grenzsoldaten aber mit ausreichender Bestechung Seitens unserer Motofahrer und Fahrzeugwechsel regelte sich auch dieses Problem. Von Hoeheo begann eine zweitägige (Tor)Tour Richtung Norden. Unzählige Thro-Thros (klapprige Minibuse bis aufs Dach vollgestopft, die auch gerne Mal mitten in der Nacht im Nirgendwo liegen bleiben...), endlose Staubpisten, ein paar sehr interessante Bekanntschaften und zig ermüdende Diskussionen um den richtigen Preis später kamen wir in Mole, einem wunderschönen Nationalpark, an.

Eines der besseren Fahruntersätze

Marktplatz. Kein Nebel, sondern Staub.
Dorf auf dem Weg Richtung Norden


Richtung Norden werden, selbst nach Togostandards, die Straßen immer schlechter, die Häuser immer einfacher und das Warenangebot immer geringer. Trotzdem hat mir auch der Norden sehr gute gefallen. Vielleicht gerade weil es weniger touristisch ist, wenn man überhaupt von touristisch sprechen kann, wir man seltener übers Ohr gehauen als im Süden und die Menschen kommen mir auch noch ein Ticken freundlicher vor. Der Nationalpark war super. Wir haben Elephanten, Paviane, Wildschweine (Pumbas Kollegen), kleine Affen, Krokodile, Antilopen und Vultures gesehen. 


Sonnenuntergang


Affenfamilien

Elephanten (Foto)-Jagd


Pumba und Pumba-Junior


Safari

Elephant





Nach der täglichen Safari haben wir am Hotelpool (!), von dem aus man eine wunderschöne Aussicht über die Savanne hat, entspannt. Auch Nachts war die Aussicht eindrucksvoll, wenn der Horizont von lodernden Buschfeuern erleuchtet war. Nach zwei wunderschönen Tagen brachen wir morgens um vier wieder auf. Obwohl die Busfahrt so früh am Morgen nicht die bequemste war, so war es doch sehr schön die Landschaft und Dörfer bei Sonnenaufgang zu bestaunen. Auf unserem Weg Richtung Strand legten wir eine Übernachtung in Kurmasi ein, eine Stadt der ich gerne mehr Zeit gewidmet hätte. Die Landschaft wandelte sich von Savanne in tropischen Regenwald und nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir an unserem Ziel für die nächsten Tage und Sylvester an... Im Paradis, Awidaa Beach! Wir verbrachten vier Nächte in einer süßen, traditionellen Hütte direkt am einsamen Strand. So wunderschön, Wörter und auch Fotos können dies gar nicht einfangen. Hier ein paar Impressionen:
Annanas-Saison
Unendlicher, goldener Strand
Volleyball bei Sonnenuntergang

Akwidaa Beach
Akwidaa Beach, auf dem Weg zum Brunnen
Von Akwidaa Beach machen wir eine Tour in den Mangrovenwald
Mangrovenwald bei Cape Coast
"Wassertaxi"
Mangrovenwald bei Sonnenaufgang
Cape Coast
Elmina Castle




Leider neigte sich auch unser Urlaub dem Ende entgegen und wir mussten aufbrechen zu unserem letzten Ziel, Elmina. Hier haben wir uns das Fort Cape Castle angeschaut. Die Führung durch die Festung, seine Kerker und „the Door of No Retur“ hat einem schauderhaft den hier stattgefunden Sklavenhandel und die Geschichte Ghanas näher gebracht. Von dort ging es zurück nach Togo. Der Grenzübertritt war wieder ein Ereignis. An der Grenzstation erklärte man uns: Visa und Pass -> rechts, kein Pass, kein Visa, aber 1000 CFA -> links. Von einer breiten asphaltierten Straße fahren wir in etwas, was eher einem staubigen Flussbett ähnelt, wir sind zurück in Togo. Mein Souvenir aus Ghana war leider erneute Malaria und Parasiten, weswegen es für von Thro-Thro direkt ins Krankenhaus ging. Eigentlich soll mein Blog ein bisschen etwas aus dem Alltagsleben in Togo wiedergeben und keine Afrikacliches bestärken, aber unser Urlaub war so schön, dass ich ihn unmöglich vorenthalten konnte.




Sonntag, 4. November 2012

DANKE!


Seit fast zwei Monaten bin ich hier in Togo, ich erlebe eine unglaublich tolle Zeit!
Seit fast einem Monat arbeite ich in meinem Projekt, ENVOL. Die Kinder sind super, die Lehrer und Mitarbeiter alle sehr nett und engagiert.
Das ich die Möglichkeit bekommen habe ein Weltwärtsjahr in Togo zu leisten, verdanke ich vor allem meinem Förderkreis! Dieser ist jetzt komplett, da möchte ich die Gelegenheit nutzen mich zu bedanken.
Vielen Dank an all die großzügigen Spenden!!

Ein außerorderntlicher Dank geht an:

Familie Thiemeyer, Jürgen Wohlfahrt-Laymann, Henk Wohlfahrt-Laymann, Familie Just, Familie Golz, Familie Schlosshahn-Schneider, Ingrid Meier, Familie Drees, Elisabeth Legeland, Familie Rosien, Monika Köbel, Familie Veltins, Familie Saarholz, Familie Müller-Methling, Familie Peisch, Familie Kosfeld, Familie von Knebel-Döberitz, Familie Steinmetz, Familie Hasselbach, Familie Laubach, Familie Henseler, Familie Eckard, Familie Ginag, Familie Grützmacher!

Montag, 29. Oktober 2012

endlich... ENVOL


Mein erster Blogeintrag über ENVOL, werde ich heute endlich veröffentlichen. Ich arbeite jetzt schon seit fast einem Monat bei ENVOL. Wer es noch nicht mitbekommen hat, ENVOL ist eine Schule für geistig behinderte Kinder. Zurzeit besuchen 32 Kinder, zwischen sechs und 21 Jahren, die Schule, aufgeteilt in Klasse ein, zwei und drei und eine Gruppe, die im Garten eine Art Ausbildung macht. Die Kinder verteilen sich nach Alter und Niveau auf die drei Klassen.
Morgens um 7:30 komme ich bei ENVOL an. Es sind schon einige Kinder in ihren khaki Uniformen im Hof. Die Jüngeren spielen, die Älteren fegen den Hof, die drei Klassen, die Räume der Physiotherapeuten oder helfen in der Küche. Ich motiviere die jüngeren Kinder zum helfen. Freudig schnappen sie sich einen Besen und schieben den Dreck von links nach rechts. Gerade viele der jüngeren haben Probleme mit der Motorik, weshalb es ein bisschen dauert bis sie das mit dem Fegen voll verstanden haben. Nebenan hören wir die Trompeten und Trommeln des Fahnenappells der Grundschule. Einige Kinder stehen an der Mauer und schauen herüber. Plötzlich ist Samuel, ein siebenjähriger Junge, weg. Er hat sich zu den Kindern der Grundschule eingereiht, die zum Fahnenappell singen. Irgendwann hole ich die Zahnbürsten und Becher raus und stelle die Tische für das morgendliche Zähne putzen auf. Die Kinder drängeln schon, wer als erstes putzen darf. Samuels Enttäuschung über den verpassten Fahnenappell ist schlagartig vorbei. Er kommt auf mich zu gerannt, macht „ahhhh“ und wedelt mit der Hand wild vor seinem Mund herum. Er kann es kaum erwarten. Nachdem alle die Zähne geputzt haben, was von Tag zu Tag weniger Zeit und Nerven kostet, fängt gegen 8:30 Uhr der Unterricht an. Ich assistiere in Klasse drei bei Kofi. Kofi ist ein sehr netter, älterer Lehrer. Ein sehr gutmütiger Mann, manchmal vielleicht etwas zu gutmütig mit den Kindern. Neben Kofi unterrichten auch noch Theo, der Direktor, und Victorian, die anderen Klasse. Auf dem Stundenplan steht Französisch, Mathe, Sport, Motorik und Geschichte. In Mathematik lernen die Kinder die Zahlen von eins bis drei. Einige haben große Probleme damit. Zum Beispiel Julien, als ich ihm zum dritten Mal erklärt habe, dass ich drei Buntstifte in der Hand halte und nicht ein oder zwei, gebe ich auf und frage ihn schließlich auf Ewe. Ewe ist die lokale Sprache, und ziehe da, es klappt, zumindest einiger Maßen. Frederik sitzt neben mir und gibt Julien schließlich ungeduldig die Antworten vor. Frederik ist der fiteste in der Klasse. Er war bereits auf einer regulären Schule, hatte dort jedoch noch Probleme. Er ist meine kleine Hilfe und übersetzt auf Ewe, wenn die anderen Kinder etwas nicht verstehen oder verstehen wollen. Er bringt mir immer wieder eine Banane oder andere Kleinigkeiten mit. Mit Frederik rechne ich andere Aufgaben an der Tafel, er kann bereits locker bis 100 addieren. Als ich mit ihm die Aufgaben rechne, steht Apolline ungeduldig neben mir und verlang ihrerseits nach Beschäftigung. Das erste Mal war ich noch überrascht, warum sie nicht mit den anderen eins, zwei und drei auf die kleine Tafel an ihren Plätzen malte. Doch ich hatte sie total unterschätzt. Nachdem sie Aufgaben im dreistelligen Bereich subtrahiert und addiert hat und fast alle richtig waren, freut sie sich riesig. Die erste Stunde ist schon längst vorbei, aber Apolline verlangt nach mehr Aufgaben, bis weit in die Pause hinein. Als sie schließlich doch noch in die Pause geht, strahlt sie, gibt mir High-Five und umarmt mich. Es war eine sehr gute Stunde. Um 9:00 ist Pause. Die Kinder spielen im Hof, bis es ein kleines Frühstück gibt. Meistens Bouillie, eine Art flüssiger Griesbrei. Ich habe eine kurze Pause, aber nur kurz, denn schon kommt Olivia und erzählt etwas in Ewe, oder Dora, die in die Luft geworfen werden will. Nach 45 Minuten geht es wieder in die Klassen. An der Tafel steht „Le prenom et le nom de la famille“. Wir haben Französisch und die Kinder lernen sich mit ihren Namen auf Französisch vorzustellen. „Je m’appelle Kofi Julien Kuma“ schallt es durch den Raum. Kofi ist der Name auf Ewe, es bedeutet, dass er an einem Freitag geboren worden ist. Julien ist der französische Namen, den fast jedes Kind zusätzlich bekommt. Julien hat vergleichsweise wenige Namen. Neben dem französischen Namen, dem Tag der Geburt, haben viele Kinder auch noch einen Namen der Taufe, einen Namen der die Konstellation der Geschwister beschreib und eine Danksagung an Gott oder Allah. Als nächstes haben die Kinder Geschichte. Sie lernen die Bedeutung von gestern, heute und morgen. Obwohl Kofi diesen Teil des Unterrichts fast nur auf Französisch gestalten, haben einige Kinder deutliche Probleme zu folgen. Es ist fast Mittag und es ist so warm in dem offenem Raum, dass auch ich ziemlich müde werde. Danach haben wir Sport. Kofi hat mich gebeten die Stunden zu übernehmen. Ich baue einen kleinen Hindernisparkour auf dem größeren Hof der Grundschule auf. Ich bin nervös, ob es überhaupt klappt und nicht in ein totales Chaos ausartet. Normalerweise laufen die Kinder im Sport nämlich nur Runden im Hof. Aber die Kinder sind motiviert und es klappt wunderbar. Die Kinder essen jeden Tag, außer Mittwochs, bei Envol zu Mittag. Ich helfe den jüngeren beim Hände waschen und achte darauf, dass auch jedes Kind sein eigenes Essen ist und danach nicht mit der Hand in den Teller des Nachbarn greift. Nach dem Mittag essen ist es Zeit für mich zu gehen. Ich hole meine Tasche aus dem Büro, was die Kinder schon als Zeichen erkennen. Von überall her kommt „Au revoir!“, „A demain!“ und ich freue mich riesig über die strahlenden Gesichter. Serre kommt auf mich zu gerannt, gibt mir einen Handkuss und umarmt mich zum Abschied. Wenn ich ENVOL verlasse, kann ich selber kaum ein Lachen unterdrücken und ich freue mich schon auf morgen.

Kleines Frühstück

Serre mit seinem Lieblingsauto

Olivia

Dora


Kleines Frühstück

Samuel



Der Hof
"A demain!"



Montag, 8. Oktober 2012

Eindrücke aus Togo!


Seit meinem letzten Blogeintrag ist schon eine ganze Weile vergangen...

            Angekommen in Kpalimé, haben wir weitere zwei Wochen mit ASTOVOT verbracht, unterteilt in Seminar und Workcamp. Es war eine schöne Zeit mit den Freiwilligen, geprägt von viel tranquillité. Während des Workcamps haben wir die Latrinen in einer örtlichen Schule gestrichen und mit Bildern zum Thema Hygiene bemalt. Die Abende ließen wir in diversen Bars und Clubs ausklingen. (Ja, man kann hier auch feiern gehen.)
Von der Deutschen Botschaft in Lomé wurden wir zu einem Empfang eingeladen. Der Minibus wurde mit unserer Gruppe von ca. 20 Personen bepackt und los ging es nach Lomé. Der Hauptgrund weswegen wir den Weg nach Lomé für nur einen Abend auf uns nahmen war sicherlich nicht zuletzt deutsches Essen. Umso größer war die Enttäuschung. Das Essen war lecker, aber eine gute Schnitte mit Käse wäre schon was gewesen! Die Botschaft kam mir wie eine bizarre Parallelwelt vor. Von der staubigen und leider auch dreckigen Strandstrasse biegt man in einen Park mit grünem Rasen, Schwimmbad und Rosenseife auf den Toiletten mit fließend Wasser ab. Es ist nicht so, als ob es nirgendwo sonst in Togo fließend Wasser oder Toiletten mit Spülung gibt, aber ich habe mich schnell an die bunten Plastikeimer zum spülen gewöhnt, weswegen mir der Luxus hier leicht komisch vorkam. Sonst war es ein netter Abend und wir haben verschiedenste Menschen kennengelernt die, warum auch immer, längere Zeit in Togo verbringen. Zurück in den Minibus, zurück nach Kpalimé, zurück in die Realität.
Der Markt
Auf dem Markt
Am nächsten Tag sind wir auf den großen Wochenmarkt gegangen. In Kpalimé gibt es eigentlich jeden Tag einen Markt, aber zwei Mal die Woche kommen Familien aus der Gegend und bieten ihre Produkte an. Wer mich gut kennt weiß, dass ich auf einem Markt mit BIO-Obst in Massen im Paradies bin! Fast jede Familie hier hält Ziegen und Hühner für den Eigenbedarf, viele haben auch noch ein kleines Feld oder zumindest Pflanzen im Hof stehen. Was darüber hinaus produziert wird verkaufen sie auf dem Markt. Pestizide werden so gut wie gar nicht verwendet und das schmeckt man auch. Auf dem Rückweg haben wir an einer togolesischen Trinkhalle angehalten. Eine Frau hat uns ihr alkoholisches Gebräu in großen Fruchtschalen angeboten. Es hat ziemlich unangenehm gerochen und auch ähnlich geschmeckt. Da wir noch nicht wussten was wir überhaupt vor uns hatten, waren alle leicht skeptisch. Erleichtert erfuhren wir, dass es sich lediglich um Hirsebier handelte. So ungefähr muss Apfelwein Nicht-Hessen vorkommen.

Die Freiwilligengruppe

            Später in der Woche brachen wir morgens zu einer Wanderung auf. Alle paar Meter hielten Motofahrer an und fragten uns wohin wir wollten. Sie konnten nicht verstehen, weswegen wir freiwillig und nur zum Spaß in der Hitze durch die Berge liefen. Der Weg hat sich jedoch gelohnt. Die Landschaft ist so wunderschön! Wir liefen durch den Tropenwald, vorbei an Wasserfällen, mit einer wunderschönen Aussicht über Togo.
Ich hatte zwar schon die ganze Woche Magen-Darm Probleme gehabt, aber der Tag gab mir den Rest. Am Abend wurden meine Bauchkrämpfe und andere Probleme so schlimm, dass ich ins Krankenhaus musste. Kein großer Spaß, weder in Deutschland und schon gar nicht hier. Was nicht daran liegt, dass das Krankenhaus den Afrika-clicheés entspricht, sondern, dass ich mich mit meinen Französisch Kenntnissen kaum mitteilen konnte. Im Krankenhaus kam ich erst einmal an den Tropf und nach weiteren Injektionen, von denen ich nicht wirklich weiß was ich überhaupt bekommen habe, ging es mir in den nächsten Tagen wieder besser.
Beim Fufu stampfen
Zum Abschluss war ein Journée Europaen und ein Journée African geplant. Die Vorbereitungen für den Tag fingen schon lange vorher an. Die letzten Tage war eine Ziege, alias „le petit Monsieur“, in unserem Garten angebunden gewesen. Zu beginn rief das blöckende Geschöpf noch Mitleid hervor, aber schon nach der ersten Nacht ging uns sein permanentes Geblöcke doch sehr auf die Nerven. Am Morgen des großen Tages war es ungewöhnlich leise im Hof... Zu Mittag gab es Ziege, aus biologischer und tiergerechter Haltung mit Fufu, einem klebrigen Brei aus Yams-Wurzeln.

"Le petit Monsieur"
Fufu mit Ziege und Sachet
(kleine Plastiksäcke mit Trinkwasser)
Das Essen war köstlich! Zum Nachbrennen kam selbst gebrannter Togo Gin auf den Tisch, der dazu führte, dass wir schon am Nachmittag auf der Terrasse zu Toofan tanzten. Abends gingen wir zusammen zum Trommeln und Tanzen. Die großen Holztrommeln, dzimbé, sind mit Ziegenleder bezogen und werden Gesängen auf Ewe begleitet. Es war ein schöner Abend und ich freue mich schon auf den Ewe und Trommelkurs, den ich demnächst regelmäßig besuchen werde. Am nächsten Tag sind wir bei unseren Gastfamilien eingezogen. Ich wohne bei den Tatrabors. Maman Regine, Papa Frank, mein Gastbruder Francis, 15, mein Gastcousin, der seine Semsterferien hier verbringt und Ami, die Haushaltshilfe. Wir wohnen am Rand von Kpalimé. Zum Hof gehören vier Ziegen, ein Hund, der ich erst gestern in einem Verschlag entdeckt habe, drei große Mangobäume und Palmen, von denen wir auch schon Kokosnüsse geerntet haben. Wir haben einen Brunnen direkt auf dem Hof, deshalb ist fließendes Wasser auch nicht nötig. Mit den bunten Plastikeimern lässt es sich gut duschen und nebenher auch noch Wasser sparen.
Eine Stoffhändlerin auf dem Markt, Pagnestand
Als ich für mein Jahr in Togo gepackt habe, hatte ich nicht wirklich realisiert, dass ich jetzt für ein Jahr weg gehen würde. Deshalb habe ich auch einiges vergessen, zum Beispiel ein Bettlacken. Ich hatte schon vergeblich versucht einen Laden für Bettwäsche zu finden. Ich habe meine Gastmutter gefragt und wir sind zusammen auf den Markt gefahren. Letztendlich sind wir zu einem der Stände gegangen die haufenweise Altkleider anbietet. Es gibt einen Haufen für T-Shirts, für Hosen, für Unterwäsche, für Handtücher und eben auch für Bettwäsche. Wer von euch hat in der letzten Zeit ein großes, weißes Leinenbettlacken zur Altkleidersammlung gebracht? Ich habe es mit Chlor gewaschen und benutze es jetzt. In Deutschland wir es oft dargestellt als ob die Altkleiderspende an notleidende Afrikaner in Krisen gebieten geht. Dem ist leider nicht so. Zum einen, weil nur 5% der Afrikaner in einem Krisengebiet leben, zum anderen weil es sich schlicht um ein Geschäft handelt, mit kommerziellem Hintergrund sowohl in Deutschland, als auch hier.  Kpalimé befindet sich an jeder Ecke ein Stoffhändler und ein Schneider ist auch nicht weit. Wer keine Altkleider ersteht, kauft sich einen Stoff und gibt diesen zum Schneider um sich seine Kleider schneidern zu lassen. Daran verdienen die Familien der Stoffhändler, die Familien der Schneider und viele Zwischenhändler. An dem Handel von Altkleiderspenden verdienen viel weniger Menschen. Da es sich um Spenden handelt, haben Händler regionaler Ware einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Ich habe mir hier schon eine Hose und eine Bluse schneidern lassen. Wenn der Westen den regionalen Markt mit seinen Kleiderspenden nicht kaputt macht, hat Afrika, hier eben Togo, seine eigene Textilindustrie. Hier ist niemand auf Kleiderspenden angewiesen. (Leider habe ich bis jetzt nur bei den Altkleidern ein Bettlacken gefunden. Ein neues und regionales Produkt wäre mir sehr viel lieber gewesen!) Ähnlich verhält es sich mit vielen Dingen, zum Beispiel Moskitonetze. Das Moskitonetz in meinem Zimmer ist gesponsert von Unicef. Auch wenn man in der Apotheke ein neues kauft prangert das Logo von der GTZ darauf und fabriziert sind sie auch nicht in Afrika. Meine Gastfamilie könnte sich locker mehrere Moskitonetze leisten, ohne sie von Hilfsorganisationen geschenkt zu bekommen. Ich denke dies gilt für die gesamte Mittelschicht. Es ist mir klar, dass es wichtig ist, dass sich jeder ein Moskitonetz leisten kann, aber warum subventioniert man nicht afrikanische Hersteller?

Francis, mein Gastbruder, bei der Kokosnussernte

Mein Gastcousin

Mein Gastvater
Kokosnussernte

Die Küche mit Brunnen und Kochstelle 

Mein Zimmer

Der Hof
Die Terrasse

Blick über Kpalimé

Straße in Kpalimé



Tropenwald

Wasserfall Womé




"Yoyo, Yovo... Ca va??" (Weißer, weißer wie gehts?)
So genug Geschwafel! Morgen fängt mein Einsatz bei ENVOL an. Ich freue mich schon endlich mit der „Arbeit“ anzufangen.